Übersetzen versus Dolmetschen
In meinem letzten Blogartikel „Zu Gast bei Freunden in Polen“ habe ich eine neue Rubrik „Kultur“ meines Blogs vorgestellt. Heute möchte ich auf eine neue Thematik eingehen, die sich mit dem Altag der Dolmetscher und Übersetzer beschäftigt. Diese Rubrik möchte ich in die Bereiche „Dolmetschen“ und „Übersetzen“ gliedern. Beiträge, die sich sowohl mit Dolmetschen als auch mit Übersetzen beschäftigen, werde ich innerhalb dieser Rubrik im Bereich „Allgemein“ präsentieren.
Als Einstieg möchte ich mit dem Unterschied zwischen „Übersetzen“ und „Dolmetschen“ anfangen. Die Übersetzer und Dolmetscher selbst kennen diesen Unterschied bestens und verwenden diese zwei Begriffe nicht als Synonyme. Dies könnte einen Laien vielleicht ein bisschen überraschen. In den Medien liest und hört man beispielsweise oft von „Simultanübersetzungen“. Die Termini „Übersetzen“ und „Dolmetschen“ werden ständig durcheinandergebracht und verwechselt. Doch zwischen ihnen gibt es einen bedeutenden Unterschied, den man kennen sollte, wenn man sich mit der Arbeit der Sprachmittler auseinander setzen bzw. mit ihnen zusammenarbeiten möchte.
Der grundlegende Unterschied liegt darin, dass beim Übersetzen ein (meist schriftlich) fixierter Text aus einer Ausgangssprache in eine Zielsprache schriftlich übertragen wird. Dolmetschen hingegen ist eine mündliche Übertragung von nicht fixierten und/oder einmalig dargebotenen Aussagen aus einer Sprache in eine andere.
Dementsprechend arbeitet ein Übersetzer am Computer und übersetzt schriftliche Texte. Während dessen befindet sich der Dolmetscher inmitten einer mehrsprachigeren Gesellschaft, der er mit seinen Sprachkenntnissen hilft, miteinander mündlich zu kommunizieren.
Die Übersetzer übersetzen und die Dolmetscher dolmetschen. Ein Dolmetscher würde sich weigern, bei der für nächsten Donnerstag geplanten Telefonkonferenz mit dabei zu sein, um die zwischen Ihnen und Ihrem ausländischen Geschäftspartner geführten Verhandlungsgespräche zu „übersetzen“. Mit Freude wird er sie aber dolmetschen und falls Sie einen professionellen Dolmetscher beauftragt haben, essenziell zum Erfolg der Verhandlung beitragen.
Beim Dolmetschen unterscheidet man das sogenannte Simultandolmetschen und das Konsekutivdolmetschen. Beim Simultandolmetschen wird simultan also zeitgleich das Gehörte durch den Dolmetscher in einer anderen Sprache wiedergeben. Konsekutivdolmetschen ist das zeitlich versetzte Dolmetschen. Der Redner hält einen Beitrag, zum Beispiel eine Rede, der Konsekutivdolmetscher macht sich währenddessen Notizen mithilfe von spezieller Notiztechnik und gibt dann längere Passagen in der Zielsprache wieder. Es gibt noch andere Arten bzw. Unterarten des Dolmetschens wie z.B. das Konferenzdolmetschen, das auf großen Veranstaltungen wie internationalen Gipfeln oder Fachkongressen stattfindet und bei dem die Dolmetscher jeweils zu zweit in schallisolierten Dolmetschkabinen arbeiten und für eine große Gruppe Zuhörer simultan, meistens in verschiedene Sprachen über Kopfhörer dolmetschen. Daneben gibt es das Flüsterdolmetschen, bei dem der Dolmetscher, wie der Name schon sagt, einem bis zwei Zuhörern die Verdolmetschung leise ins Ohr flüstert. Beim bilateralen Konsekutivdolmetschen wird in beide Richtungen gedolmetscht. Also sowohl aus der Fremdsprache in die Muttersprache, als auch aus der Muttersprache in die Fremdsprache. Im Rahmen dieser Rubrik werde ich Ihnen u.a. auch die einzelnen Dolmetscharten näher vorstellen.
Die Wissenschaft, die sich mit Dolmetschen und Übersetzen beschäftigt, heißt Translatologie. Ich habe beispielsweise am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie der Universität Leipzig studiert.
Wenn man Dolmetscher und Übersetzer in einem Wort zusammenfassen möchte, spricht man häufig von „Sprachmittlern“.
Gedolmetscht wurde vermutlich schon bald nach der Entstehung der Sprache vor etwa 100.000 Jahren. Deshalb wird Dolmetschen häufig als das zweitälteste Gewerbe der Welt bezeichnet. Als Schutzpatron der Dolmetscher und Übersetzer gilt der Heilige Hieronymus, der das klassische und zeitgenössische Latein, Griechisch und Hebräisch beherrschte und die Bibel sowie andere Werke ins Lateinische übersetzte. Anhand von überlieferten Übersetzungen können wir den Verlauf der Geschichte dokumentieren, die historischen Wissensströme verfolgen und den Transfer von Wissen und Kulturtechniken zwischen verschiedenen Völkern nachvollziehen. Während in der Romantik vor allem die literarischen Übersetzungen aus anderen europäischen Sprachen ins Deutsche eine Rolle spielten, ist im 20. Jahrhundert ein explosionsartiges Wachstum der Fachübersetzungen durch den Ausbau der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen zu beobachten. Auch die einzelnen Dolmetscharten bekamen erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts ihre heutige Form. Simultandolmetscher wurden beispielsweise das erste Mal bei den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Im letzten Jahrhundert wurden auch viele Ausbildungsstätten sowie einschlägige Berufsverbände für Übersetzer und Dolmetscher gegründet und Translatologie als eigenständige Interdisziplin entwickelt.
Wenn einem die Unterschiede bewusst sind, ist es auch einleuchtend, warum sich die Sprachmittler so oft aufregen, wenn sie Wortverbindungen wie „simultane Übersetzung“ hören oder Sätze wie „Die Konferenz wird simultan übersetzt.“ lesen.
Hiermit möchte ich also an alle Journalisten, Pressesprecher, Veranstalter und andere Menschen, die mit Übersetzern bzw. Dolmetschern zusammenarbeiten, plädieren, in Zukunft auf ihre Wortwahl zu achten und die korrekten Begriffe zu verwenden. Wir alle professionell tätigen Übersetzer und Dolmetscher wären Ihnen für diese exakte Unterscheidung sehr dankbar. Sie werden damit die anspruchsvolle Arbeit der Sprachmittler anerkennen und ihr Ansehen in der Gesellschaft unterstützen.
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