Vom 28. bis 30. September 2012 fand in Berlin die 2. Internationale Fachkonferenz „Übersetzen in die Zukunft“ statt. Sie knüpfte an die Erfolge der 1. Fachkonferenz im Jahr 2009 an. Das diesjährige Motto der Konferenz lautete: Dolmetscher und Übersetzer: Experten für internationale Fachkommunikation. Das größte Branchenereignis dieser Art wird vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ) veranstaltet. Auch dieses Jahr haben sich sehr viele interessierte Übersetzer, Dolmetscher, Terminologen, Betreiber von Übersetzungsagenturen, Projektmanager, Sprachinstitutionen, Hersteller von Wörterbuchen, Translation Memory Systemen und ähnlichen Softwareprogrammen, Studierende einschlägiger Fachrichtungen sowie andere Sprachkundige auf den Weg nach Berlin gemacht. Insgesamt nahmen ca. 1.350 Personen aus 31 Ländern teil.
Selbstverständlich habe ich mich auch bereits mehrere Monate zuvor angemeldet und freute mich sehr auf die angekündigten Seminare und Vorträge sowie die vielen Kollegen aus der ganzen Welt.
Wie es sich für eine Konferenz für Übersetzer und Dolmetscher gehört, wurden die Vorträge und Podiumsdiskussionen aus und in die Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch simultan gedolmetscht. In den Kaffeepausen standen den Teilnehmern warme und kalte Getränke sowie Obst zur Verfügung, am Samstag war ein Mittagessen in der Mensa organisiert und für ein Abendprogramm wurde ebenfalls gesorgt. Unpraktisch fand ich nur, dass die Speisen und Getränke nur an einer Stelle unter der Treppe verteilt wurden, so dass es hier sehr eng war. Zum Glück hat jedoch das Wetter mitgespielt und wir konnten unsere Kollegen-Gespräche nach draußen verlegen. Das Mittagessen in der Mensa verlief diesmal im Unterschied zur letzten Konferenz reibungslos.
Die drei Tage waren sehr intensiv und von morgens bis abends mit Veranstaltungen gefüllt. So fingen die ersten bereits um 9 Uhr früh an, was für manche Kollegen, die eine weitere Anreise zum Veranstaltungsort, dem Henry Ford Bau der Freien Universität Berlin, vor sich hatten, mit frühem Aufstehen und später Rückkehr verbunden war. Vor allem für alle Autofahrer war der Sonntag aufgrund des an diesem Tag stattfindenden Berliner Marathons eine richtige Herausforderung, verbunden mit einer Entdeckungsfahrt durch kleine Nebenstraßen Berlins.
Für mich persönlich stand neben dem Besuch der von mir reservierten Seminare und Workshops der Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit Kollegen in Vordergrund. Ich habe einige meiner Kolleginnen aus ganz Deutschland wiedergetroffen sowie sehr viele neue und nette Kolleginnen und Kollegen kennengelernt und so mein Netzwerk um professionelle Übersetzer verschiedener Sprachen erweitert. Meine Hoffnungen, eine neue Übersetzer-Kollegin für Tschechisch zu finden, um sich mit ihr über die Problematik beim Übersetzen juristischer Fachtexte und die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem tschechischen Rechtssystem auszutauschen, haben sich jedoch selbst nach dem Besuch des Netzwerktreffens für Übersetzer und Dolmetscher im juristischen Bereich am Samstag Nachmittag als schwierig erwiesen. Berufliche Weiterbildung scheint für manche Kollegen nicht von großer Bedeutung zu sein.
Der erste Veranstaltungstag war in meinem Fall dem Unternehmerdasein einer freiberuflichen Übersetzerin und Dolmetscherin gewidmet. In den Vorträgen wie „Übersetzer als Experten auf Augenhöhe“, „Marketing für Übersetzer und Dolmetscher“ oder „Mehr Professionalität für Übersetzer“ habe ich mir wertvolle Tipps zur Kundenakquise, Spezialisierung für Sprachmittler, Positionierung als Sprachexperte, Honorarkalkulation, Kundenbindung und -pflege sowie Marketing und Management eingeholt. Daneben habe ich ein Kurzseminar über Social Media gebucht, in dem Blogs, Facebook und Twitter kurz vorgestellt wurden. Leider waren die Berichterstattung und der Erfahrungsaustausch der in meinen Augen teilweise nicht besonders kompetenten Seminarleiter sehr oberflächlich und anfängerlastig.
Besonders gefallen haben mir hingegen die Diskussionen mit erfahrenen Kollegen im Rahmen eines Workshops mit dem provozierenden Zusatztitel „Der Polizeidolmetscher: Übersetzungsmaschine oder Hilfspolizist?“. Diskutiert wurden die Rolle und Aufgaben des Dolmetschers bei der Arbeit für die Polizei, die Möglichkeiten und Grenzen des Polizeidolmetschers sowie ähnliche Fragen der Berufsethik.
Dem Thema „Übersetzen und Dolmetschen im Rechtswesen“ bin ich auch bei meiner letzten Vortragsreihe treu geblieben, in der es im ersten Teil um Gerichtsdolmetscher als Experten für internationale Kommunikation in Gerichtssälen und Vernehmungszimmern ging. Den zweiten Vortrag über die Grenzen der Textbearbeitung beim Übersetzen juristischer Texte würde ich aus meiner Sicht als den besten Beitrag der Konferenz bezeichnen. Frau Schlüter-Ellner ist als Juristin und Rechtsübersetzerin für Spanisch eine sehr kompetente Fachfrau, die mich bereits bei der letzten Konferenz mit ihrem Fachwissen überzeugen konnte. In ihrem Vortrag beschäftigte sie sich tiefgründig mit der sehr spezifischen Problematik beim Übersetzen juristischer Fachbegriffe und der Frage, wie man als Übersetzer mit unterschiedlichen Rechtssystemen umgehen kann. Alle Thesen wurden anhand von praktischen Beispielen dargelegt.
Insgesamt habe ich einige neue Impulse und Anregungen für meine weitere Arbeit als Fachübersetzerin und beeidigte Dolmetscherin sowie Unternehmerin gewinnen können. Schade fand ich nur, dass doch relativ viele Referenten wohl sehr kurzfristig abgesagt haben, so dass mehrmals eine spontane Umorientierung nötig war. Die so gewonnene Zeit habe ich beispielsweise für den Besuch der Fachmesse genutzt, um mich über Neuerscheinungen einiger Nachschlagewerke, neueste Trends bei Translation-Memory-Systemen sowie verschiedene andere Werkzeuge für Übersetzer und Dolmetscher zu informieren.
Die Idee mit den vielen Kurzseminaren und Workshops war von den Veranstaltern mit Sicherheit gut gemeint. Es stand eine große Auswahl zu unterschiedlichsten Themen zu Verfügung. Man hatte die Qual der Wahl, da man nur an zwei von ihnen teilnehmen durfte. Umso weniger Wahlmöglichkeiten hatte man für die restlichen Termine, wo nur die Teilnahme an den in den großen Hörsälen stattfindenden Vorträgen übrig blieb. So hatte ich am Samstagnachmittag beispielsweise kein für mich passendes Veranstaltungsthema finden können, da mich keiner der Vorträge angesprochen hat und mein Pensum an Seminaren ausgeschöpft war. An diesen „Massenveranstaltungen“ gab es aus Zeitgründen auch sehr wenig Raum zum Diskutieren. Manche Fragerunden und Diskussionen wurden aus Zeitmangel prompt unterbrochen, was ich sehr schade fand.
Ein weiteres Problem war der unterschiedliche Wissensstand der Zuhörer bezüglich des besprochenen Themas bzw. die vor den Vortragenden angenommenen Kenntnisse der Teilnehmenden, die teilweise gegen Null tendierten, vor allem bei Themen, die nur am Rande etwas mit Übersetzen und Dolmetschen zu tun haben wie Social Media, Kundenakquise, Marketing usw. Die Fragen, welchen Kenntnisstand meiner Zuhörer setze ich als Vortragender vor, wo fange ich an, wie detailliert gehe ich vor u.ä. sind sicherlich bei der großen Anzahl an in einem anderen Bereich tätigen Zuhörer problematisch. Als erfahrener Redner muss ich jedoch darauf vorbereitet sein und Maßnahmen parat haben, um entsprechend zu handeln und es – auch im Vorfeld – zu kommunizieren. In Zukunft würde ich mir daher wünschen, dass bereits aus der Programmübersicht ersichtlich ist, in welche Tiefe die Vorträge gehen, wie viel Praxisbezug erwartet werden kann und welche Vorkenntnisse erforderlich sind. Wünschenswert wären auch mehr praktische Beispiele, wie könnte man als Sprachmittler die theoretisch gewonnenen Kenntnisse in die Praxis umsetzen kann. Für den praktischen Bezug blieb bei den Vorträgen sehr oft kein Platz mehr übrig.
Kritisch ist auch das unterschiedliche Niveau der Vortragenden anzusehen. Wenn jemand erst seit Anfang dieses Jahres bei Facebook aktiv ist und nicht viel über andere soziale Netzwerke zu berichten hat, ist er eventuell nicht besonders gut als Referent für einen Vortrag über Social Media geeignet. Ein aus juristischer und steuerlicher Sicht problematisches Konzept sollte vielleicht nicht als eine neue bahnbrechende Lösung für eine Kooperation von Übersetzern und anderen Selbstständigen vorgestellt werden. Selbstverständlich ist es für die Veranstalter der Konferenz schwierig, im Vorfeld die Kenntnisse der Redner zu überprüfen. Doch sollte man nicht unbedingt jeden verpflichten, der sich freiwillig meldet und eher auf erfahrene Coaches mit entsprechenden Kompetenzen setzen.
Im Großen und Ganzen kann man jedoch sagen, dass diese Fachkonferenz gelungen war und ich mich bereits jetzt auf die nachfolgende Konferenz freue.
Unter http://www.flickr.com/photos/dolmetschbar/ finden Sie meine Impressionen von der 2. Internationalen Fachkonferenz „Übersetzen in die Zukunft“.
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