Zwischen Welten – Der Name des neuen Films der Regisseurin Feo Aladag ist Programm. Es prallen hier sogar gleich mehrere Welten aufeinander: die kulturellen und religiösen Unterschiede zwischen Deutschen und Afghanen, die unterschiedlichen Vorstellungen der deutschen Soldaten und der afghanischen Bevölkerung über die Aufgabe der Schutztruppen, das Dilemma des Bundeswehroffiziers bei seiner Entscheidung, den Einheimischen Hilfe zu leisten und/oder Befehle zu befolgen, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen, der Konflikt zwischen der Militärbürokratie und dem Kriegsalltag, die Spannungen zwischen den afghanischen Milizen und der Taliban, die Feindseligkeit der Taliban gegenüber den Dolmetschern, der Kampf der Frauen um Anerkennung und Bildung in der patriarchalischen Gesellschaft, die Konfrontation mit der brutalen Kriegswelt.
Zwischen Welten symbolisiert aber auch die Gefühlslage des Dolmetschers Tarik, der zwar dank seiner Kenntnisse in der Lage ist, zwischen den Einsatzkräften und den Einheimischen sprachlich und kulturell zu vermitteln, sich selbst aber von keiner der beiden Seiten aufgenommen fühlt. Er bezeichnet sich als Afghane und Afghanistan als seine Heimat, die er nie verlassen würde, wenn er hier sicher wäre. Die einen bedrohen ihn und seine Familie wegen seiner Arbeit für die deutschen Truppen, die anderen wollen ihm trotz seiner lebensbedrohlichen Leistung kein Asyl gewähren. Tarik bewegt sich buchstäblich zwischen diesen Welten und bekommt die Distanz von beiden Seiten zu spüren.
Umso bemerkenswerter ist dann die sich allmählich aufbauende Freundschaft zwischen dem Dolmetscher und dem Bundeswehroffizier namens Jesper, der mit seiner Einheit ein kleines Dorf im Kampf gegen die Taliban unterstützen soll. Mit Hilfe des jungen Dolmetschers versucht er, das Vertrauen der skeptischen Dorfgemeinschaft und der Milizen zu gewinnen.
Afghanistan
Der Film wurde an Originalschauplätzen in Afghanistan gedreht, was für westliche Produktionen eher unüblich ist. Das tut dem Film aber gut, er wirkt dadurch viel authentischer. Als Zuschauer fühlt man sich – auch dank der Kameraführung – mitten drin, mitten in Afghanistan. Mitten in einer für die westliche Kultur unbekannten Welt, in der man sich ohne einen „Vermittler“ nicht zurechtfindet. Wie gut, dass es Menschen wie den jungen Afghanen Tarik gibt, der nicht nur zwischen den Sprachen dolmetscht, sondern auch zwischen den Kulturen vermittelt.
Selbst während der Dreharbeiten in Afghanistan mit Unterstützung der Bundeswehr ist das Zusammentreffen der Welten spürbar. Die Regisseurin Feo Aladag, die gleichzeitig auch die Produktion und das Drehbuch übernahm, fasst es so zusammen: „Jeden Tag, sechs Tage die Woche, Freitags ist hier Sonntags, treffen diese Welten zusammen an einem unserer Motive, um eine Geschichte über Divergenzen und Gemeinsamkeiten, Widersprüche und Brücken, Einsatz und Wirklichkeit, Freundschaft und Verantwortung zu erzählen.“
Der Film, der seine Weltpremiere auf der Berlinale 2014 feierte, wurde auf Deutsch, Englisch, Dari und Paschtu gedreht. In der Hauptrolle ist Ronald Zehrfeld zu sehen. Sämtliche afghanischen Rollen wurden mit Darstellern aus der Gegend um Mazar-i-Sharif und Kabul besetzt. Tarik wird von dem Afghanen Mohsin Ahmady gespielt. Die Regisseurin hat lange recherchiert und mehrmals Afghanistan besucht, um die Arbeit der deutschen Soldaten vor Ort sowie die afghanische Bevölkerung kennenzulernen. Der Anspruch der Regisseurin an möglichst größte Authentizität ist in diesem Kriegsdrama deutlich spürbar.
Afghanisch-Dolmetscher
Dem Dolmetscher kommt in dem Film Zwischen Welten eine Schlüsselrolle zuteil. Die Regisseurin drückt es so aus: „Die Übersetzer helfen nicht nur bei Sprachproblemen, sie unterstützen auch und ganz besonders dabei, alltägliche Unterschiede und alltägliche Missverständnisse aufzuklären, und sind deshalb vielleicht diejenigen, deren Tätigkeit die wichtigste ist, um ein friedliches Zusammen- und Überleben überhaupt erst zu ermöglichen.“
Leider wird die Arbeit der Afghanisch-Dolmetscher nicht gebührend honoriert. In einem Blogartikel habe ich schon darüber berichtet, dass viele Dolmetscher von den Taliban als Kollaborateure der Besatzungsmächte angesehen werden. Nach dem Abzug der deutschen Schutztruppen aus Afghanistan gehören sie und ihre Familien zu den am meisten gefährdeten Personengruppen. Leider wird ihnen trotz ihrer unermüdlichen Hilfe bei der Verständigung in lebensbedrohlichen Kriegsgebieten kein Asyl in Deutschland gewährt.
In genauso einer Situation befindet sich auch Tarik, der sich mehrmals vergeblich bemüht, einen Asylantrag bei den deutschen Behörden zu stellen. In einer bewegten Szene fragt er den Kommandeur, welche Beweise er hätte noch erbringen sollen. Etwa den, dass er oder seine Schwester tot sind? Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage ist die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem Bundeswehrsoldaten und seinem afghanischen Dolmetscher noch brisanter.
Fazit
Die Überwindung der Unterschiede und eine harmonische Verbindung der teilweise grundverschiedenen Welten scheinen fast unmöglich zu sein. Die Kontakte der einzelnen Akteure sind von Ängsten, Vorurteilen und dem Unterschied zwischen Haben und Nicht-Haben geprägt. Der Film möchte keine pauschalen Antworten auf die Fragen zur Lösung dieser Konflikte geben, sondern vielmehr für das Thema sensibilisieren.
Mein Prädikat lautet daher: ein interessanter Film über zwischenmenschliche Beziehungen geprägt von kulturellen Differenzen im Rahmen eines Kriegskonflikts. Absolut sehenswert!
Der Trailer zum Film Zwischen Welten:
_____________________
Fotos: © Bjoern Kommerell
Keine Kommentare