Zum ersten mal Direktwahl
Am 11. und 12. Januar 2013 wird in Tschechien der nächste Präsident gewählt, und zwar das erste Mal direkt von den wahlberechtigten Bürgern. Im Februar 2012 hat der Senat die entsprechende Verfassungsänderung angenommen, nachdem das Abgeordnetenhaus der Neuregelung bereits im Dezember 2011 zugestimmt hatte. Bisher wurde das Staatsoberhaupt von Abgeordnetenhaus und Senat in einer gemeinsamen Sitzung gewählt. Sollte kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erreichen, gehen am 24. und 25. Januar die zwei bestplatzierten Kandidaten in die Stichwahl.
Für das Amt des Präsidenten dürfen Personen kandidieren, die älter als 40 Jahre sind und die Unterstützung von mindestens 20 Abgeordneten oder 10 Senatoren erhalten haben oder mindestens 50.000 Unterschriften von Wahlberechtigten sammeln konnten. Ursprünglich hatten sich mehr als 20 Bewerber angekündigt, nicht alle konnten jedoch die erforderliche Anzahl an Unterschriften vorweisen. Einige Kandidaten wie die Ex-Europaparlamentarierin und Chefin der außenparlamentarischen Partei Suverenita Jana Bobošíková, der tschechisch-japanische Unternehmer Tomio Okamura und der frühere Industrie- und Handelsminister Vladimír Dlouhý hatten nach einer vom tschechischen Innenministerium anhand von Stichproben durchgeführten Zählung der eingereichten Unterschriften weniger als 50.000 erreicht. Sie haben gegen die durchgeführte Zählmethode beim Obersten Verwaltungsgericht geklagt. Das Gericht hat jedoch nur die ehemalige Moderatorin als Präsidentschaftskandidatin zugelassen. Zurzeit gibt es also 9 Kandidaten. Der Sieger der ersten direkten Wahl wird den derzeitigen Staatspräsidenten Václav Klaus ersetzen, der nach seiner zweiten und letzten fünfjährigen Amtsperiode zum 7. März 2013 aus seinem Amt ausscheidet.
Die Kompetenzen des tschechischen Präsidenten
Der tschechische Präsident repräsentiert u.a. den Staat gegenüber anderen Ländern und beurkundet vom Parlament erlassene Gesetze. Im Gegensatz zum deutschen Bundespräsidenten hat er jedoch größere Kompetenzen. Er kann zum Beispiel in Krisenzeiten einen neuen Premierminister ernennen oder den amtierenden Premierminister entlassen. Zudem ist der tschechische Präsident Oberbefehlshaber der Armee und wird zu Beratung hinzugezogen, wenn es beispielsweise um eine Reform der Streitkräfte geht.
Die Kandidaten
In Umfragen liegen die ehemaligen Regierungschefs Jan Fischer und Miloš Zeman vorn. Der parteilose Fischer stand an der Spitze des Kabinetts in den Jahren 2009 und 2010. Zeman war als Vorsitzender der Sozialdemokraten (ČSSD) von 1998 bis 2002 Regierungschef. Er kandidiert für die von ihm gegründete Partei der Bürgerrechte (SPOZ).
Deutlich weniger Stimmen bekommen in den Umfragen der Vizevorsitzende der Sozialdemokraten Jiří Diensbier und der Außenminister Karel Schwarzenberg. Der Senator Jiří Diensbier Junior ist der offizielle Kandidat der stärksten Partei, der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei (ČSSD) und hat – obwohl er von 27 Senatoren nominiert wurde – für seine Präsidentschaftskandidatur 55.000 Bürgerstimmen gesammelt. Sowohl er als auch Miloš Zeman werden von der Kommunistischen Partei (KSČM) unterstützt. 38 Abgeordnete haben als Kandidaten für das Amt des Präsidenten den Vorsitzenden der konservativen Mitte-Rechts-Partei TOP 09 Karel Schwarzenberg vorgeschlagen.
Die konservative und zweitstärkste politische Partei Tschechiens, die Demokratische Bürgerpartei (ODS), unterstützt ihren Parteifreund und Vizepräsidenten des Senats Přemysl Sobotka. Die Christdemokratin Zuzana Roithová ist seit 2004 Mitglied des Europäischen Parlaments und gilt als Kandidatin der Christlichen und Demokratischen Union – Tschechoslowakische Volkspartei (KDU-ČSL).
Unter den Präsidentschaftskandidaten fehlen auch nicht die Künstler. Táňa Fischerová ist ehemalige Schauspielerin, Schriftstellerin, Moderatorin jährlich stattfindender Adventskonzerte, parteiunabhängige Politikerin und angagierte Bürgerrechtlerin. Der studierte Rechtsanwalt Vladimír Franz ist Komponist und bildender Künstler, der an der Theaterfakultät der Akademie der Musischen Künste in Prag als Professor tätig ist. Bekannt ist er auch durch seine Ganzkörper-Tätowierung.
Heiße Wahlkampfphase
Insgesamt werden 7.200 Tschechen ihren Präsidenten im Ausland wählen, die meisten in Brüssel und Bratislava. In Berlin besteht die Möglichkeit, sich als Wähler an der tschechischen Botschaft anzumelden.
Mit Spannung wird die Wahlbeteiligung bei der ersten Direktwahl des tschechischen Präsidenten in der nächsten Tagen erwartet. Die Wahlkampagnen sind im vollen Gange, in den Medien wird über die Präsidentschaftskandidaten ausgiebig berichtet und in den Sozialen Netzwerken fleißig diskutiert. Was meinen Sie? Wer wird der nächste tschechische Präsident?
3 Kommentare
Die Wahllokale in Tschechien haben heute um 14:00 Uhr geöffnet.
Da in der ersten Wahlrunde keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit der Stimmen erreichte, kommt es in zwei Wochen zu einer Stichwahl. Dann tritt der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg gegen den Wahlsieger Miloš Zeman an. Das Ergebnis der ersten Direktwahl: 24,2 % Miloš Zeman, 23,4 % Karel Schwarzenberg, 16,4 % Jan Fischer, 16,1 % Jiří Dienstbier, 6,8 % Vladimír Franz, 5,0 % Zuzana Roithová, 3,2 % Taťana Fischerová, 2,5 % Přemysl Sobotka, 2,4 % Jana Bobošíková.
Der erste direkt gewählte tschechische Präsident steht fest. Bei der Stichwahl setzte sich der frühere Regierungschef und Linkspopulist Miloš Zeman gegen den Außenminister Karel Schwarzenberg durch.